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Keine fiktiven Schadenskosten mehr im Werkvertragsrecht
Ulf Schönenberg-Wessel
Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit veränderte der Bundesgerichtshof zuletzt die Baubranche. Seit dem Urteil vom 22.02. 2018, VII ZR 46/17 ist Schluss mit der Geltendmachung sogenannter fiktiven Mängelbeseitigungskosten in einem Baurechtsprozess. Konnte der Auftraggeber in der Vergangenheit aufgrund der jahrzehntelangen Rechtsprechung noch ohne Durchführung der Mangelbeseitigungsarbeiten die fiktiven Kosten der Mangelbeseitigung geltend machen, ist diese Möglichkeit nunmehr für alle Bauverträge, die ab dem 1. Januar 2002 geschlossen wurden beendet. Konnte der Geschädigte zuvor einen Kostenvoranschlag vorlegen und mit dem erstrittenen Geld in den Urlaub fahren, ist dies künftig nicht mehr möglich.
Begründet wird die – kurz gesagt – durch den Bundesgerichtshof damit,
dass mit dem Mangel das Vermögen des Geschädigten noch nicht in Höhe der Mangelbeseitigungskosten gemindert sei. Der Vermögensschaden trete erst mit der tatsächlich durchgeführten Mangelbeseitigung ein. Die bisherige fiktive Schadensberechnung habe häufig zu einer so genannten Überkompensation geführt und damit zu einer nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen nicht gerechtfertigten Bereicherung des Auftraggebers.
D. h. ohne Durchführung der Mangelbeseitigung kann nunmehr der eingetretene Schaden lediglich im Wege einer Vermögensbilanz oder einer Schätzung beziffert werden. Bei der Erstellung der Vermögensbilanz wird der Schaden anhand der Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, im Eigentum des Auftraggebers stehenden Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel, der sich auch aus einem Mindererlös im Verkaufsfall ableiten lasse, ermittelt. Die Feststellung des Schadens kann in einem gerichtlichen Verfahren auch im Wege einer Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erfolgen.
Praxishinweis: Wie in einer Gebrauchsanweisung dekliniert der Bundesgerichtshof in seiner weit über den Einzelfall hinausgehenden Grundsatzentscheidung die Ansprüche des Auftraggebers, der einen Mangel nicht beseitigen lässt, durch. Es sind daher alle laufenden Auseinandersetzungen, insbesondere laufende gerichtliche Verfahren danach zu überprüfen, ob fiktive Mangelbeseitigungskosten geltend gemacht werden. Gegebenenfalls sind die laufenden Verfahren zur Vermeidung von Rechtsverlusten umzustellen. Gegebenenfalls ist auf eine so genannte Kostenvorschussklage umzustellen. Das Urteil stärkt insbesondere die Rechte von Bauunternehmen, Architekten und Ingenieuren. Denn der Auftraggeber kann bei Belassen des Mangels nur in einem deutlich geringeren Umfang als bisher Schadenersatzzahlungen durchsetzen.
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