Aufklärungsverschulden des Verkäufers bei Verkauf älterer Gebäude
Beim Verkauf einer Gewerbeimmobilie, die im Verkaufsexposé mit „allgemein gepflegter Zustand der Immobilie“ angeboten wird, ist der Käufer nicht gehalten, ein mit Faserzementplatten belegtes Dach vor dem Kauf auf Wasserdichtheit zu untersuchen.
OLG Zweibrücken, Urteil v. 28.05.2024 – 4 U 105/23
Sachverhalt
Der Käufer, ein Immobilienmakler erwirbt eine Werkstatthalle, die im Verkaufsexposé wie folgt beschrieben wird: „Allgemein gepflegter Zustand der Immobilie“. Der Verkäufer erklärt im notariellen Kaufvertrag, dass ihm nicht erkennbare Mängel nicht bekannt sind. Nach Abschluss des Kaufvertrags erfährt der Käufer von Mietern der Parkfläche des Objekts, dass die Dachfläche der Immobilie undicht ist und es bei Regen zu teilweise starken Wassereinbrüchen kommt. Dem Verkäufer seien die Undichtigkeiten mindestens zwölf Monate vor Kaufvertragsabschluss von den Mietern mehrfach mitgeteilt worden. Der Käufer hatte das Dach vor Abschluss des Kaufvertrages nicht besichtigt. Bei der Besichtigung des Objekts war zwar erkennbar geworden, dass im Erdgeschoss der Werkstatthalle im Erdreich Feuchteschäden vorhanden waren; im Hinblick auf diese Schäden hatte der Verkäufer einen Preisnachlass gewährt. Der Käufer macht im Klageweg Schadensersatz geltend, der Klage wurde durch das Landgericht und Oberlandesgericht Zweibrücken stattgegeben.
Entscheidung
Das OLG Zweibrücken führt zur Begründung aus, dass auch in Anbetracht des Alters des Gebäudes und des bezahlten Kaufpreises (nebst Preisnachlass) die rissigen, wasserdurchlässigen Faserzementwellplatten auf dem Dach nicht mehr als (nur) hinzunehmender Verschleiß zu werten sind. Ein nicht regenfestes Dach ist mit einem „gepflegten Zustand“ nicht in Einklang zu bringen. Ein allgemein gehaltener Hinweis auf notwendige Erneuerungsmaßnahmen führt nicht zum Ausschluss eines Mangels. Auch wenn der Käufer selbst ein Makler ist, kann im Rahmen einer Gebäudebesichtigung von ihm nicht verlangt werden, dass er auf das Dach steigt, das nur überdies auch nur über eine steil anzulegende Leiter erreichbar war.
Fazit
Die Rechtsprechung hat zunehmend die Aufklärungspflichten für Verkäufer gebrauchter Immobilien verschärft. Zwar ist grundsätzlich jeder Käufer selbst verpflichtet, sich die nötigen Informationen über die zu erwerbende Immobilie zu verschaffen. Der Verkäufer muss dem Käufer jedoch über relevante Punkte informieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Käufer aufgrund von Prospekt- und/oder Exposé-Angaben von einem weitgehend fehlerfreien Zustand des Kaufgegenstandes ausgehen kann.
Wohnraummietrecht: Schadensersatz und Kaution
Die Erklärung der Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen Schäden an der Mietsache gegen den Kautionsrückzahlungsanspruchs des Mieters ist in einem beendeten Mietverhältnis bei einer Barkaution wirksam, auch wenn der Vermieter nicht in unverjährter Zeit die Überleitung des Herstellungsanspruches auf einen Schadensersatzanspruch in Geld vorgenommen hat.
BGH, Urteil vom 10.07.2024; VIII ZR 184/23
Sachverhalt
Nach der Beendigung eines Wohnraummietverhältnisses fordert der Mieter nach Ablauf von mehr als 6 Monaten die Kaution zurück. Der Vermieter erklärt nun erst die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch, da die Wohnung nicht in einem vollständig vertragsgemäßen Zustand zurückgegeben wurde und Schäden aufwies. Vor der Kautionsrückforderung hatte der Vermieter hinsichtlich der vorgefundenen Schäden nichts unternommen.
Das Amtsgericht verpflichtet den Vermieter zur Rückzahlung der Mietkaution in vollem Umfang. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Vermieter mit dem Rechtsmittel der Berufung ohne Erfolg, setzt sich aber beim BGH durch.
Entscheidung
Das Landgericht hatte in dem Berufungsverfahren zunächst bestätigt, dass der Vermieter bei vorgefundenen Schäden in der Mietsache einen Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes hat. Dieser auf Naturalleistung gerichtete Anspruch unterliegt der 6-monatigen Verjährungsfrist aus § 548 BGB, die mit dem Tag der Herausgabe der Wohnung zu laufen beginnt. Da dieser Anspruch auf Wiederherstellung des unbeschädigten Zustandes nicht auf eine Geldleistung gerichtet ist, kommt insoweit die Aufrechnung gegen die Mietsicherheit aufgrund der fehlenden Gleichartigkeit der wechselseitigen Ansprüche nicht in Betracht.
Erst nach einer Mängelbeseitigungsaufforderung mit Fristsetzung wandelt sich der Herstellungsanspruch in einen Schadensersatzanspruch in Geld, § 250 Satz 2 BGB.
Dieser auf Geldzahlung gerichtete Schadensersatzanspruch kann dem Rückzahlungsanspruch des Mieters sodann entgegengehalten werden und führt zu einer entsprechenden Verwertung der Kaution.
Dieses Prozedere muss nach Ansicht des BGH indes nicht innerhalb der kurzen Verjährungsfrist aus § 548 BGB vollzogen sein. Der BGH meint, dass die an sich zutreffende Differenzierung zwischen dem nicht zur Aufrechnung geeigneten Herstellungsanspruch und dem nach Fristsetzung erst entstehenden Anspruch auf Schadensersatz in Geld in dem Wohnraummietverhältnis bei der Abrechnung über die Kaution nicht interessengerecht sei. Es handele sich bei dieser Differenzierung um eine Förmelei, da es dem Mieter nicht darum gehe, innerhalb der Verjährungsfrist des § 548 BGB die Herbeiführung einer Aufrechnungslage durch den Vermieter zu erfahren. Den Parteien des Vertrages gehe es vielmehr um eine inhaltlich zutreffende Abrechnung über die Kaution, die nach der ständigen Rechtsprechung des VIII. Zivilsenates eben nicht innerhalb von sechs Monaten erteilt werden muss.
Der Mieter kann mithin die Kaution nicht vollen Umfangs zurückfordern, wenn die Wohnung beschädigt zurückgegeben wird.
Fazit
Der BGH beendet mit dieser Entscheidung die zahlreich in der Instanzrechtsprechung angewandte sogenannte Aufrechnungsfalle und stärkt den interessengerechten Umgang mit der Mietsicherheit. Nach der Beendigung eines Wohnraummietverhältnisses ist es für den Vermieter gleichwohl geboten, seine Ansprüche aufgrund etwaiger Beschädigungen und/oder nicht durchgeführter Dekorationsarbeiten umgehend geltend zu machen, um den Herstellungsanspruch in einen Schadensersatzanspruch in Geld überzuleiten. An diesem System des Schadensersatzrechts ändert die BGH-Entscheidung nichts, lediglich der Zeitdruck, innerhalb der kurzen Verjährungsfrist das Prozedere zu vollenden, entfällt bei Barkautionen nunmehr.