10. Juli 2024
Recht & Gesetz
BGH-Urteil zur außerordentlichen fristlosen Kündigung im Wohnraummietrecht
Ricarda_Breiholdt
In einer wegweisenden Entscheidung klärt das Oberlandesgericht Hamm, unter welchen Umständen ein Gebäude als Einfamilienhaus gemäß den §§ 656a ff. BGB anzusehen ist. Der Fall beleuchtet die Bedeutung der Gebäudeaufteilung und Nutzungskonzeption in der Bewertung von Immobilien im Maklerrecht, und bietet tiefe Einblicke in die rechtlichen Feinheiten, die bei der Vermarktung und dem Verkauf von […]

In einer wegweisenden Entscheidung klärt das Oberlandesgericht Hamm, unter welchen Umständen ein Gebäude als Einfamilienhaus gemäß den §§ 656a ff. BGB anzusehen ist. Der Fall beleuchtet die Bedeutung der Gebäudeaufteilung und Nutzungskonzeption in der Bewertung von Immobilien im Maklerrecht, und bietet tiefe Einblicke in die rechtlichen Feinheiten, die bei der Vermarktung und dem Verkauf von Mehrfamilienhäusern beachtet werden müssen.

Sachverhalt

Der Makler erhält den Verkaufsauftrag für eine Immobilie, die aus 2 Wohnungseinheiten besteht. Dabei handelt es sich um eine circa 95 m2 große Wohnung im Erdgeschoss und eine weitere circa 145 m2 große Wohnung, die teilweise im Erdgeschoss und teilweise im Obergeschoss gelegen ist. Beide Wohnungen verfügen über separate Eingänge. Es existiert eine Verbindungstür zwischen dem Eingangsbereich der größeren Wohnung und einem ursprünglich als Wohn- und Schlafzimmer dienendem Raum der kleineren Wohnung. Beide Wohnungen hatten einen Zugang zum Keller. Von der kleineren Wohnung führte eine Treppe in den Keller, ein weiterer Zugang zum Keller war durch eine Außentreppe gegeben. Im Maklerexposé wurde das Objekt als Zwei- bzw. Mehrfamilienhaus bezeichnet. Die Überschrift lautete: „Hoher Wohnkomfort für 2 Familien: voll durchsaniertes, gehoben ausgestattetes ZFH“. In der Objektbeschreibung hieß es: „2 separate Wohneinheiten (Teilungserklärung liegt vor)“.

Der Kaufinteressent verpflichtete sich gegenüber dem Makler zur Zahlung einer Käuferprovision in Höhe von 4,14 % einschließlich Mehrwertsteuer. Der Makler stellte nach Abschluss des Kaufvertrages seine Rechnung über 26.346 €. Der Käufer verweigerte die Zahlung, weil es sich nach seiner Auffassung um ein Einfamilienhaus i.S.d. § 656a BGB handele. Das Landgericht Bielefeld wies die Klage des Maklers ab.

Entscheidung

Das OLG Hamm gibt der Klage des Maklers statt. Der Maklervertrag war wirksam abgeschlossen; auch hatte der Makler eine Nachweistätigkeit erbracht.

Das streitbefangene Haus stellt nach Auffassung des Gerichts kein Einfamilienhaus bzw. Eigentumswohnung i.S.d. §§ 656a ff. BGB dar. Maßgebend für die Beurteilung ist nach Auffassung des Gerichts nicht, ob die Bewohner eines Objekts dieses in seiner Gesamtheit gemeinschaftlich nutzen; vielmehr sei darauf abzustellen, ob die Nutzung des Gesamtobjekts durch die Mitglieder eines einzelnen Haushalts nach der Aufteilung des Gebäudes und dessen sonstigen Eigenschaften unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung objektiv angelegt ist. Das streitbefangene Gebäude bestand nach der objektiv klar vorgegebenen Aufteilung des Erd- und Obergeschosses aus zwei grundsätzlich getrennten Wohneinheiten, die jeweils für die Nutzung durch einen eigenständigen Haushalt angelehnt waren. Die im Erdgeschoss vorhandene Verbindung der Wohneinheiten über eine gewöhnliche Zimmertür stand einer Nutzung durch zwei eigenständige Haushalte nicht entgegen. Diese Verbindung konnte durch ein Abschließen der Tür oder ein Zumauern aufgehoben werden. Dass eine mangelhafte Schallisolierung durch diese Zimmertür gegeben war, stand ebenfalls einer Nutzung durch zwei Haushalte nicht entgegen.

Eine mangelhafte Schallisolierung zwischen zwei Wohnungen ist nach Auffassung des OLG Hamm nicht ungewöhnlich. Auch eine gemeinschaftliche Nutzung des Kellers stand einer Nutzung des Gesamtobjekts durch zwei Haushalte nach der Verkehrsanschauung nicht entgegen. Es ist, wie das Gericht ausführt, nicht ungewöhnlich, dass sich Mitglieder verschiedener Haushalte im Keller begegnen, weil es dort Gemeinschaftsräume gibt oder den einzelnen Wohnungen zugeordnete abgeschlossene Kellerräume. Weiter ist das Vorhandensein einer gemeinsamen Gas- und Wasserversorgung nach Auffassung des Gerichts nicht dahin zu werten, dass das Gebäude als Einfamilienhaus zu qualifizieren ist. Die daraus eventuell resultierende Notwendigkeit einer Nachrüstung, um entsprechend der Heizkostenverordnung eine Erfassung des anteiligen Verbrauchs an Wärme und Warmwasser zu erreichen, wiegt nicht derart schwer, dass die Nutzung als Zweifamilienhaus hinfällig würde.

Auch das Vorhandensein einer einheitlichen Stromversorgung des Gesamtobjekts führt nicht zur Annahme eines Einfamilienhauses. Maßgebend ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung der objektiven Gegebenheiten unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung.

Die kleinere Wohnung maß ursprünglich 95 m2, die größere Wohnung 145 m2. Sowohl die absolute Größe der kleineren Wohnung, wie aber auch ihr relativer Anteil an der Gesamtfläche des Gebäudes von knapp 40 % sprechen gegen eine nur untergeordnete Bedeutung der kleineren Wohnung, etwa als Einliegerwohnung.

Keine Rolle spielt nach Auffassung des OLG Hamm, welchen Erwerbszweck der Erwerber für die künftige Gestaltung und Nutzung des Objekts hat und ob dem Makler bekannt war, welchen Erwerbszweck der Käufer verfolgt.

Fazit

Das Urteil des OLG Hamm geht ausführlich auf die Frage ein, ob allein die Nutzung einer Immobilie durch eine Familie ausreichend sein kann, um das Gebäude als „Einfamilienhaus“ i.S.d. §§ 656a ff. BGB zu bezeichnen. Das OLG lehnt die Auffassung der Kommentar-Litaratur, wonach die (subjektive) Nutzungsabsicht des Erwerbers für die Frage, ob es sich um ein Ein- oder Zweifamilienhaus handelt, ausdrücklich ab.
Abzustellen sei, so das OLG, allein auf eine objektive Sicht.

Rechtsanwältin Ricarda Breiholdt
Fachanwältin für Miet-/WEG-Recht
Immobilien-Mediatorin (DIA)
Breiholdt Voscherau Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

www.breiholdt-voscherau.de

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