Die Zeiten der lockeren Geldpolitik sind vorbei
Nach über einem Jahrzehnt der historisch niedrigen Zinsen hat die EZB am 27. Juli die angekündigte Zinswende vollzogen. Die Trendumkehr umfasst auf der einen Seite die Anhebung des Hauptrefinanzierungssatzes um 0,5 auf 0,5 Prozent und auf der anderen die Erhöhung des bislang negativen Einlagensatzes auf 0,0 Prozent. Damit müssen Banken nun keine Negativzinsen mehr auf Einlagen zahlen.
Mit dem Schritt reagiert die EZB auf die im Euro-Raum grassierende Inflationsproblematik, die vor allem auf die anhaltenden Lieferkettenprobleme, die Rohstoffknappheit, steigende Energiepreise und globale Handelskonflikte zurückzuführen ist. Im Juli zeigten die Verbraucherpreise in Deutschland gegenüber dem Vorjahresmonat einen Anstieg von 7,5 Prozent.
Der Schritt der EZB gewinnt umso mehr an Bedeutung, als führende Volkswirt*innen eine langfristig hohe Teuerungsrate prognostizieren und im Zuge dessen bereits zahlreiche andere Zentralbanken die Zinsen erhöht haben. So hat etwa die US-amerikanische Notenbank FED den Leitzins bereits Anfang des Jahres auf eine Spanne zwischen 1,5 und 1,75 angehoben. Von einer ähnlichen Entwicklung geht man nun auch in Europa aus, was einen erheblichen Einfluss auf Bauunternehmen, Immobilieneigentümer*innen, Kaufinteressent*innen und Banken haben dürfte.
Steigende Zinsen wirken sich gravierend auf Bauwirtschaft aus
Wird der aktuelle Kurs der Zentralbank auch von vielen Volkswirt*innen begrüßt, so zeichnet sich daneben auch ein gemischtes Meinungsbild ab. Vor allem in Bezug auf die Immobilienbranche gehen Expert*innen von einer komplexen Dynamik aus, die sowohl Chancen als auch Risiken birgt.
Zunächst einmal konstatieren Expert*innen wie der Pressesprecher des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen Andreas Sichel, dass die Nachfrage nach Bauträgern bereits jetzt um 10 bis 20 Prozent eingebrochen ist, weil die Käufer*innen sich mit Investitionen angesichts der aktuell unsicheren Lage zurückhalten. Hinzu kommen Lieferkettenprobleme infolge der Corona-Pandemie, Rohstoffengpässe in Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg, der fortschreitende Fachkräftemangel und Unsicherheiten bei der KfW-Förderung.
Werden dann noch Kredite teurer, führt dies in Verbindung mit der massiven Planungsunsicherheit bei den Unternehmen dazu, dass kaum noch bezahlbar und klimaschonend gebaut werden kann. Entsprechend ist mit vielen Insolvenzen und einer Stagnation der Bautätigkeit zu rechnen, die zu einer weiteren Erhöhung der Immobilienpreise führt und die Inflation weiter befeuert.
Folgen für Eigentümer*innen und Käufer*innen
Steigende Zinsen führen auch dazu, dass Kreditraten und damit die monatlichen Belastungen für all diejenigen teurer werden, die eine Immobilie finanzieren wollen. Das schlägt sich auf zweierlei Art nieder.
1. Nicht mehr alle Interessent*innen werden in der Lage sein, sich eine Finanzierung zu leisten. Das liegt beispielsweise in Deutschland darin begründet, dass die Bafin Banken angehalten hat, Kreditanfragen besonders genau zu prüfen. Entsprechend hat sich die Nachfrage drastisch reduziert. Schlägt sich diese Dynamik aufgrund des noch immer bestehenden Nachfrageüberhangs aktuell auch noch nicht allzu problematisch nieder, könnte sich das mit dem Auslaufen der Zinsbindungsfrist vieler Finanzierungen in 10 bis 15 Jahren jedoch schnell ändern. Benötigen Käufer*innen dann eine Anschlussfinanzierung, müssen unter Umständen schlechtere Konditionen akzeptiert werden.
2. Ein weiteres Problem besteht darin, dass Anschlussfinanzierungen nicht mehr bedient werden können und Immobilien verkauft werden müssen. Das führt wiederum dazu, dass mehr Objekte auf den Markt kommen. Dadurch kann sich die Nachfragesituation auf der einen Seite entspannen, auf der anderen sind durch die Zinserhöhungen aber auch deutliche Verteuerungen möglich. Diese führen wiederum dazu, dass die hohen Kreditraten für immer mehr Menschen unerschwinglich werden und dass ein wachsendes Angebot auf eine sinkende Nachfrage trifft. Das kann vor allem dann gefährlich werden, wenn Häuser wegen geplatzter Anschlussfinanzierungen veräußert werden müssen. Dann kommt es zu Kreditausfällen und aus dem Verkauf der hypothekenbelasteten Immobilien kann nicht mehr genug erlöst werden, um die Kosten zu kompensieren.
Wenn steigende Zinsen zu einem Rückgang der Nachfrage führen, wirkt sich das aber auch auf all diejenigen aus, die Immobilien zum Zweck des Werterhalts in Zeiten der Inflation gekauft haben. Dann kommt es zu einem Preisverfall und die Preise, die bei einer Veräußerung erzielt werden können, sinken.
Tipps für Käufer*innen und Eigentümer*innen
Trotz der aktuellen Entwicklung sollten Immobilieneigentümer*innen und -interessent*innen die Gefahren nicht überbewerten. Wenn man sich die Zinsentwicklung der letzten zehn Jahre genauer ansieht, sieht man, dass viele Finanzierungen mit 3,2 bis 4,0 Prozent abgeschlossen werden. Für diese Menschen stellen moderate Zinserhöhungen aktuell kein Problem dar. Sie können ihre Tilgungs- und Zinszahlungen weiter leisten. Hier bestünden Gefahren lediglich in einem Wirtschaftseinbruch mit stark wachsenden Arbeitslosenzahlen. Doch auch hier war die Quote vor zehn Jahren noch deutlich niedriger als heute.
Am wichtigsten ist es, sich die noch immer historisch niedrigen Zinsen für einen möglichst langen Zeitraum zu sichern. Deshalb sollte man sich so früh wie möglich um eine Anschlussfinanzierung kümmern – etwa in Form eines Forward-Darlehens. Hier fallen allerdings auch Zinsaufschläge an, weshalb eine gewissenhafte Kalkulation erforderlich ist.
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