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Der Immobilienmarkt in Flensburg
Ein Interview mit Dr. Peter Schroeders, Fachbereichsleiter der Stadt Flensburg für Entwicklung und Innovation.
Die WiREG (Wirtschaftsförderungs- und Regionalentwicklungsgesellschaft Flensburg/Schleswig mbH), blickt auf ein sehr erfolgreiches Wirtschaftsjahr 2015 zurück.
54 neue Unternehmen haben sich in Flensburg angesiedelt und etwa 150 neue Arbeitsplätze wurden geschaffen. Ansässige Betriebe planen Vergrößerungen oder Ausbau Ihrer Unternehmen, wodurch ein weiterer Zuwachs an neuen Mitarbeitern und somit auch Neuzugang der Wohnungssuchenden in Flensburg entstehen wird. Wie macht sich der Zulauf in der Immobilienwirtschaft bemerkbar?
Dr. Peter Schroeders,
Fachbereichsleiter der Stadt Flensburg für Entwicklung
und Innovation, seit 1991 im Amt.
IMMOBILIENMARKT: Herr Dr. Schroeders, wie sieht derzeit der Wohnungsmarkt in Flensburg aus? Wie können Angebot und Nachfrage abgedeckt werden?
Dr. Schroeders: Wir merken seit etwa einem halben Jahr, dass der Markt angespannt ist. Wenn wir Projekte auf den Weg bringen, sind die Wohnungen innerhalb kürzester Zeit vermietet bzw. auch verkauft. Vor allem im hochpreisigen Segment, ist das wirklich sagenhaft. Das wirkt sich so aus, dass wir auch anlagesuchendes Kapital haben. Die Zinsen am Kapitalmarkt sind sehr niedrig und auch Kleinanleger suchen Anlagen, um ihr Geld zu platzieren. Das hat natürlich auch Nachteile, weil die Baupreise dadurch nach oben gehen. Wenn die Nachfrage steigt, gehen die Baupreise hoch und das führt dann wiederum dazu, dass wir an unsere Vermarktungsgrenzen stoßen. In dieser Thematik liegt, meiner Meinung nach, auch ein bisschen Überhitzung. In dem Moment wo die Zinsen wieder richtig steigen, ist das Erwachen meistens groß. Diese Wohnungen sind plötzlich völlig überteuert und bergen gewisse Risiken. Zwar ist es momentan nicht spürbar, weil wir sehr günstige Finanzierungskonditionen haben, dennoch sind wir froh, dass die großen Projekte soweit alle verkauft sind. Und ich hoffe, dass in 5 bis10 Jahren, wenn die Darlehen umgeschichtet werden, die Eigentümer das noch gut bewältigen.
IMMOBILIENMARKT: In welche Richtung bewegt sich der Trend der Wohnungssuchenden – klein aber fein oder doch eher groß mit viel Platz?
Dr. Schroeders: Der Trend geht zum mehrgeschossigen Haus in kleinen Einheiten bis maximal 200 Wohneinheiten an einem Ort. Das hängt ab von den Grundverhältnissen und vom Umfeld. Wir haben einige Projekte im Bau derzeit: Zum Beispiel das Projekt am Wasserturm in Flensburg, dieses Bauprojekt wird von vier Partnern getragen. Das ist zum einen der Selbsthilfe Bauverein, der dort auch Mietwohnungsbau anbietet; zum anderen ein örtlicher Projektentwickler: die Bauplan Nord; dann noch die Firma Höft als Bauunternehmen und die Kieler Wohnungsbaugenossenschaft WOGE, die sich zusammengeschlossen haben und dieses Projekt gemeinsam stemmen.
IMMOBILIENMARKT: Wenn Altes – Neuem weichen muss – Gibt es für 2016/2017 alte, historische Gebäude, die saniert werden oder die sogar neuen Projekten weichen müssen?
Dr. Schroeders: Wir haben da ein ganz interessantes Projekt mit dem Selbsthilfe Bauverein, das ist das Wohngebiet Fruerlund. Dort sind viele Häuser und Wohnungen abgebrochen worden, die in den 50er und 60er Jahren, mit bescheidenen Mitteln, aufgebaut wurden. Es waren durchaus stabile Mietverhältnisse darin, aber die äußeren Standards entsprachen den heutigen in keinster Weise mehr. Zum Teil waren Toiletten auf einem Treppenpodest und auch die Bausubstanz war problematisch.
Alles sehr schwierig, da hat sich der Selbsthilfe Bauverein entschieden, diese Siedlung abzureißen und neu aufzubauen. Das ist Stadterneuerung in einem positiven und radikalen Sinn. Eine Sanierung hatte hier keinen Zweck mehr, weil man die Grenzkosten mit einbeziehen muss, unter den Betrachtungen: Was nützt es, wenn ich in diese Wohnung noch investiere, aber die Deckenhöhe von 2,20 m bleibt und das einfach zu wenig ist? Das ist ein abgeschlossenes Projekt, wo Bund / Land und Stadt sich mit Städtebaufördermitteln beteiligt haben. Hier wurden u. a. der Stadtteilpark und bestimmte Erschließungsanlagen gefördert.
Ein weiteres Beispiel: Gegenüber der IHK Flensburg wurde eine alte Möbelhalle abgebrochen, die in Richtung Südstadt lag. Hier hat sich ein Investor gefunden, der 30 Wohnungen zur Vermietung im hochpreisigen Segment erstellt hat. Solche Projekte laufen einfach gut in Flensburg.
IMMOBILIENMARKT: Welche neu geplanten und aktuellen Bau-Projekte stehen im Fokus?
Dr. Schroeders: Sehr hochwertiger Wohnungsbau in einer gemischten Struktur – also Stadthäuser und Geschossbauten haben im Januar 2016 begonnen mit einer sehr schönen Lage. Dann haben wir die Alte Gärtnerei, wo wir auch ein neues Projekt starten – an der Straße nach Glücksburg raus. Da entsteht ein Projekt mit 190 Wohneinheiten. Ein weiteres größeres Bauprojekt haben wir jetzt gerade abgeschlossen, mit dem Flensburger Arbeiter Bauverein an der Kanzleistraße. Dort sind ca. 100 Wohnungen entstanden. Und so haben wir eine ganze Reihe von Projekten, die sehr erfolgreich sind.
Ein vielleicht noch ganz interessantes Projekt in der Nordstadt, im Schwarzenbachtal: Dort haben wir mit unserem Sanierungsträger Grundstücke zusammengekauft, sodass wir jetzt zusammenhängende Flächen besitzen und 300 bis 500 Wohneinheiten errichten können. Wir erproben hier über Qualitätswettbewerbe, unter den Beteiligungen von Investoren, Bauträgern und Architekten, in einem Zeitraum von 1 bis 2 Jahren 500 weitere Wohnungen zu entwickeln.
IMMOBILIENMARKT: Können Sie uns in Zahlen sagen, wie hoch der Leerstand von Wohnimmobilien in Flensburg derzeit ist?
Dr. Schroeders: Der tendiert im Moment gen Null. Es gibt einige Immobilien die nicht besetzt sind, diese stehen allerdings planmäßig leer. Wir haben so gut wie keinen Leerstand.
IMMOBILIENMARKT: Bedeutet das, wenn jemand hier in Flensburg einen Arbeitsplatz einnimmt, hat er es schwer, einen entsprechenden Wohnraum zu finden?
Dr. Schroeders: Es gibt immer noch eine Fluktuationsreserve; der eine zieht aus, der nächste zieht ein. Man spricht aber von einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt, wenn der Leerstand nicht größer ist als 2 %. Aber es ist ja eigentlich gar kein Leerstand, sondern eine Fluktuationsreserve. Irgendwie muss ich ja auch umziehen können, damit ich meine Wohnung wiederum frei mache, damit ein anderer in meine Wohnung einziehen kann. Im Durchschnitt steht eine Wohnung maximal 4 Wochen leer bevor sie an den nächsten vermietet wird. In der Zwischenzeit wird diese entsprechend neu aufbereitet und somit gibt es keinen Leerstand in dem Sinne.
IMMOBILIENMARKT: Wie gehen die Flensburger mit dem starken Zustrom von Asylbewerbern um? Wie schlägt sich die Unterbringung der Flüchtlinge auf den Wohnungsmarkt in Flensburg aus? Und wie gestalten sich die anfänglichen Unterbringungsmöglichkeiten?
Dr. Schroeders: Asylbewerber, die bereits einen Asylantrag gestellt haben, werden in einigen dezentralen, kleinen Siedlungen untergebracht. Die, wie ich finde, recht attraktiv sind. Sie haben eine klare, räumliche Integration, mit einer sehr guten Infrastruktur. Kurze Wege zu Einkaufsmöglichkeiten, mit guten Anbindungen an Bus und Bahn. Allerdings ist das etwas, was temporär angelegt ist, da die Abwicklung der Asylanträge sehr viel Zeit in Anspruch nimmt.
Grundsätzlich verfügt Flensburg über eine sehr ausgeprägte Willkommenskultur. Andererseits haben wir auch gemerkt, dass die Integrationssysteme irgendwie an ihre Grenzen stoßen. Dennoch gibt es eine Grundbereitschaft unserer Wohnungsbauakteure, den Wohnungsbau anzukurbeln. Da wird nicht mehr unterschieden, zwischen Flüchtlingen und Nicht-Flüchtlingen. Wenn jemand den Status von anerkanntem Asyl hat, dann tritt derjenige genauso auf dem Wohnungsmarkt auf, wie jeder andere auch. Über Vermietungskonzepte muss man probieren, eine gute Hausgemeinschaft hinzubekommen. Aber auch bedenken, dass die großen Massen noch auf uns zukommen, denn die meisten warten immer noch darauf, dass ihre Asyl-Anträge anerkannt werden.
Langfristig werden folgende Hauptfaktoren eine wichtige Rolle in der Integration spielen: Arbeitsmarkt, Wohnungsmarkt und natürlich die Bildung.
Wohnungsinvestition schafft Arbeitsplätze, schafft Wertschöpfung usw. Das hängt auch vom ökonomischen Kreislauf ab, der durch Zuwanderung oft angekurbelt wird. Das wird leider oft verkannt. Von daher glaube ich, dass da immer noch große Chancen sind, auch für den regionalen Arbeitsmarkt. Man muss erreichen, dass diese Menschen an der Wertschöpfungskette in irgendeiner Form teilnehmen können, in der Zukunft vor allem durch Arbeit.
IMMOBILIENMARKT: Wie sehen Sie mittelfristig die Gesamtentwicklung von Wirtschaft und Immobilienwirtschaft in Flensburg?
Dr. Schroeders: Für eine mittelständige Stadt, wie Flensburg es mit 90 TSD Einwohnern ist, sehe ich die Entwicklung sehr positiv. Natürlich haben wir hier nicht so einen Boom wie in den Metropolstädten, wo ein wesentlich größerer Prozess von Wirtschaftsaktivitäten, Bauaktivitäten und Forschungen stattfindet. Flensburg ist eine Stadt, die trotz dem, dass sie ein wenig im Windschatten dieser Metropolen steht, durchaus eine eigene Perspektive hat. Diese wird sich auf einem mittleren Niveau konsolidieren. Das ist für Flensburg sehr gut, weil es positiv ist, wenn die Dinge nicht so schnell gehen, sondern ganz in Ruhe und stetig eine Entwicklung vollziehen können. Insoweit glaube ich, dass die Stadt Flensburg als solides Oberzentrum im deutsch/dänischen Raum, eine sehr gute Perspektive für werthaltige Immobilien haben wird. Das gilt sowohl für den gewerblichen Bereich als auch für den Wohnbereich – vielleicht sind nicht solche Renditen zu erwirtschaften, wie in den Metropolstädten, aber dafür gibt es eine solide Basis.
In den nächsten 5 Jahren brauchen wir etwa 6.000 Wohnungen in Flensburg. Wir versuchen das, mit all der uns zur Verfügung stehenden Kraft, zu ermöglichen. Dabei sind wir auf den Schulterschluss mit den Wohnungsbauinvestoren angewiesen. Immerhin haben wir es geschafft, dass sich aktuell ungefähr 1.000 Wohnungen im Bau befinden. Und wenn die Projekte, die wir jetzt gerade schmieden, im nächsten halben bis dreiviertel Jahr umgesetzt werden, sind es sogar 2.000 Wohnungen.
Was ganz eindeutig feststellbar ist, ist, dass wir einen Wechsel verzeichnen: Weg vom Einfamilienhaus und hin zur Wohnung im Geschossbau.
Jetzt sind wir eindeutig in einer Phase, wo wir im Schwerpunkt auf verdichteten Geschosswohnungsbau abzielen. Rückblickend betrachtet, sind das seit den 60er und 70er Jahren immer Wellenbewegungen gewesen. Es gibt natürlich Diskussionen, damit nicht dieselben Fehler gemacht werden, wie in den 70er Jahren, z. B. mit den Großwohnanlagen. Deswegen setzen wir sehr stark auf kleinere, dezentrale Einheiten.
IMMOBILIENMARKT: Wie hoch ist der durchschnittliche Quadratmeterpreis in Flensburg?
Dr. Schroeders: Im sozialen Wohnungsbau beginnen wir mit 5,20 EUR je m2 und im freifinanzierten Bereich, wenn man auf Neubauwohnungen schaut, liegen wir bei 9 bis 10 EUR. Der Eigentumsmarkt ist relativ teuer, da die Nachfrage nach Eigentumswohnungen sehr hoch ist und da noch ein hohes Anlagebedürfnis vieler privater Anleger hintersteht, die ihre Erbschaften umsetzen möchten. Da gehen die Quadratmeterpreise hoch auf 2.500 bis 2.800 EUR und teilweise sogar über 3.000 EUR oder höher.
IMMOBILIENMARKT: Vielen Dank, Herr Dr. Schroeders, für das Interview.
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