21. Juni 2019
Recht & Gesetz, Uncategorized
Keine fiktiven Schadenskosten mehr im Werkvertragsrecht
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit veränderte der Bundesgerichtshof zuletzt die Baubranche. Seit dem Urteil vom 22.02.2018 ist Schluss mit der Geltendmachung sogenannter fiktiven Mängelbeseitigungskosten in einem Baurechtsprozess. Konnte der Auftraggeber in der Vergangenheit aufgrund der jahrzehntelangen Rechtsprechung noch ohne Durchführung der Mangelbeseitigungsarbeiten die fiktiven Kosten der Mangelbeseitigung geltend machen, ist diese Möglichkeit nunmehr für alle Bauverträge, die ab dem 1. Januar 2002 geschlossen wurden beendet.






Themen > Recht & Gesetz

Keine fiktiven Schadenskosten mehr im Werkvertragsrecht


Ulf Schönenberg-Wessel
Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit veränderte der Bundesgerichtshof zuletzt die Baubranche. Seit dem Urteil vom 22.02.   2018, VII ZR 46/17 ist Schluss mit der Geltendmachung sogenannter fiktiven Mängelbeseitigungskosten in einem Baurechtsprozess. Konnte der Auftraggeber in der Vergangenheit aufgrund der jahrzehntelangen Rechtsprechung noch ohne Durchführung der Mangelbeseitigungsarbeiten die fiktiven Kosten der Mangelbeseitigung geltend machen, ist diese Möglichkeit nunmehr für alle Bauverträge, die ab dem 1. Januar 2002 geschlossen wurden beendet. Konnte der Geschädigte zuvor einen Kostenvoranschlag vorlegen und mit dem erstrittenen Geld in den Urlaub fahren, ist dies künftig nicht mehr möglich.

Begründet wird die – kurz gesagt –  durch   den   Bundesgerichtshof   damit,
dass mit dem Mangel das Vermögen des Geschädigten noch nicht in Höhe der Mangelbeseitigungskosten gemindert sei. Der Vermögensschaden trete erst mit der tatsächlich durchgeführten Mangelbeseitigung ein. Die bisherige fiktive Schadensberechnung habe häufig zu einer so genannten Überkompensation geführt und damit zu einer nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen nicht gerechtfertigten Bereicherung des Auftraggebers.

D. h. ohne Durchführung der Mangelbeseitigung kann nunmehr der eingetretene Schaden lediglich im Wege einer Vermögensbilanz oder einer Schätzung beziffert werden. Bei der Erstellung der Vermögensbilanz wird der Schaden anhand der Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, im Eigentum des Auftraggebers stehenden Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel, der sich auch aus einem Mindererlös im Verkaufsfall ableiten lasse, ermittelt. Die Feststellung des Schadens kann in einem gerichtlichen Verfahren auch im Wege einer Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erfolgen.

Praxishinweis: Wie in einer Gebrauchsanweisung dekliniert der Bundesgerichtshof in seiner weit über den Einzelfall hinausgehenden Grundsatzentscheidung die Ansprüche des Auftraggebers, der einen Mangel nicht beseitigen lässt, durch. Es sind daher alle laufenden Auseinandersetzungen, insbesondere laufende gerichtliche Verfahren danach zu überprüfen, ob fiktive Mangelbeseitigungskosten geltend gemacht werden. Gegebenenfalls sind die laufenden Verfahren zur Vermeidung von Rechtsverlusten umzustellen. Gegebenenfalls ist auf eine so genannte Kostenvorschussklage umzustellen. Das Urteil stärkt insbesondere die Rechte von Bauunternehmen, Architekten und Ingenieuren. Denn der Auftraggeber kann bei Belassen des Mangels nur in einem deutlich geringeren Umfang als bisher Schadenersatzzahlungen durchsetzen.

Kanzlei im Merkurhaus
Preußerstraße 1– 9 · 24105 Kiel
Tel.: 0431 661149-60
www.kanzlei-merkurhaus.de

Weitere Artikel
zum Thema Recht & Gesetz

IMMOBILIENMARKT
Verlagsgesellschaft mbH
Königsweg 1, 24103 Kiel

Tel.: 0431 66452-0
E-Mail: info@derimmomarkt.de

Räum- und Streupflicht Immobilieneigentümer

Räum- und Streupflicht Immobilieneigentümer

IVD-Wintercheck: „Damit der Immobilieneigentümer nicht aufs Glatteis gerät“ Mit Beginn der kalten Jahreszeit müssen Eigenheimbesitzer darauf achten, dass Gehwege vorm Haus frei von Eis und Schnee bleiben. Der Immobilienverband Deutschland (IVD) weist auf die...

Böse Überraschungen beim Hausbau vermeiden

Böse Überraschungen beim Hausbau vermeiden

Achtung Nebenkosten                Das passende Grundstück ist gefunden, der Kaufpreis ist fix und die Baukosten sind kalkuliert – das Bauvorhaben kann starten. Aber halt, etwas fehlt! Beim Hausbau werden weitere Ausgaben notwendig: die Bau- bzw. Erwerbsnebenkosten....

GDPR Cookie Consent mit Real Cookie Banner